Solomon und die Frauen von Georg Friedrich Händel
Georg Friedrich Händel (1685-1759) hat 15 biblische Oratorien geschrieben. Erstaunlich oft schreibt er darin große Rollen für Frauen, die in der Bibel nur in Nebensätzen erwähnt werden, oder keine Namen haben. Einigen gibt er Namen, andere bleiben zwar namenlos, bekommen aber trotzdem breiten Raum im Stück. Auf einige dieser Frauen aus dem Oratorium „Solomon“ (1748) will dieser Musikhappen den Blick lenken.
Die ersten beiden Stellen handeln von Frauen, die zwar namenlos bleiben, denen Händel durch Arien jedoch mehr Platz und Geschichte gibt, als wir in der Bibel über sie finden. Die dritte Stelle erzählt von einer Frau, die in der Bibel zwar keinen Namen hat, aber durch ihren Stand und ihre Bezeichnung klar umrissen ist.
In seinem Oratorium „Solomon“ erzählt Händel die Geschichte des alttestamentlichen Königs Salomon in drei Teilen.
Im ersten Teil jubelt das Volk zuerst über den Tempel, den Salomon gebaut hat. Danach besingt Salomon seine Frau, die Königin. Er will ihr einen Palast bauen. Die Königin und Salomon besingen ihre Liebe zueinander.
Der zweite Teil behandelt die Weisheit Salomons. Dargestellt wird diese anhand der Geschichte zweier Frauen, die beide behaupten, die Mutter eines Babys zu sein. Salomon löst das Dilemma, indem er vorschlägt, das Kind entzwei teilen zu lassen. Dann könne jede Frau einen Teil mitnehmen und beide hätten gewonnen. Während die falsche Mutter dem Deal zustimmt, weigert sich die andere Frau und sagt, bevor dem Kind etwas angetan werde, solle die Andere es haben. Daran erkennt Salomon, dass sie die echte Mutter ist, da sie das Kind liebt und das Leben des Kindes über ihre eigenen Bedürfnisse stellt.
Im dritten und letzten Teil des Oratoriums wird der Staatsbesuch der Königin von Saba bei Salomon beschrieben. Salomon und sein Volk zeigen ihr die große Macht des Königs, der alle Leidenschaften und Kräfte unter Kontrolle hat: Vom schläfrigen Klang süßer Musik zu direkt darauffolgender militärischer Stärke. Vom Leiden durch hoffnungslose Liebe zur Ruhe, die nach dem Sturm kommt. Die Königin ist begeistert und beschenkt Salomon reich. Zum Schluss preisen alle die Weisheit Salomons und die Größe Gottes.
Die Stellen, die an diesem Beitrag besonders interessieren, sind die, in denen von Salomons Frau die Rede ist, der zweite Teil des Oratoriums, in dem es um die zwei Frauen gehen, die um das Kind streiten und der Besuch der Königin von Saba.
Die Frau des Salomon
Viele Informationen geben die biblischen Texte nicht über die Frau des Königs Salomon. Sie war die Tochter des Königs von Ägypten. Von diesem hat Salomon als Brautgeschenk unter anderem die Stadt Geser bekommen. Gleich der erste Satz über diese Heirat zeigt, dass es hier nicht unbedingt um die große Liebe, sondern um Strategie ging. Das erste, was über die Ehe genannt wird, ist der Schwiegervater. 1 Kön 3,1: „Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König von Ägypten.“ In 1 Kön 9,24 heißt es, dass Salomon ein Haus/einen Palast für sie baut. Das greift Händel in seinem Oratorium auf. Dass die Liebe des Königs nicht allein der Königin aus Ägypten galt, zeigt das Oratorium nicht. 1 Kön 11 spricht von den vielen Frauen, die Salomo liebte und dass dies Gott missfiel. In der Bibel ist die Frau des Königs Salomon also hauptsächlich politisches Mittel zum Zweck. Von ihr selbst erfahren wir nichts.
Händel stellt Salomon und seine Frau als schön gezeichnetes Liebespaar dar. Im ersten Rezitativ der Szene stellt Salomon seine Frau vor, die er liebt und erzählt dann von dem Palast, den er für sie beide bauen will. In der darauffolgenden Arie besingt die Königin den Segen, der ihr widerfahren ist, dadurch, dass sie Salomon kennengelernt hat. Danach singen König und Königin ein Liebesduett, das damit endet, dass sie sich in die gemeinsamen Schlafgemächer zurückziehen - begleitet von einem Chor, der ihnen ruhige, ungestörte Stunden wünscht.
In früheren Fassungen des Oratoriums gab es übrigens wesentlich explizitere Arien dazu, was König und Königin wohl in ihren ungestörten Stunden so tun. Diese Liebesarien strich Händel jedoch bei einer Überarbeitung seines Stückes restlos. Möglicherweise, weil sie dem prüden englischen Publikum einfach zu sehr missfielen.
Carolyn Watkinson
Nany Argenta
Barbara Hendricks
Anthony Rolfe Johnson
Monteverdi Choir
English Baroque Soloists
Dirigent: John Eliot Gardiner
Der verwendete Bibeltext im Vergleich | ||||
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Die zwei Frauen
Den Großteil des zweiten Teils des Oratoriums nimmt die Geschichte der zwei Frauen ein, die beide behaupten, die Mutter eines Kindes zu sein und die von Salomon eine Entscheidung darüber wollen, wer die rechtmäßige Mutter ist. Diese Geschichte ist auch schon in 1 Kön 3 sehr ausführlich erzählt. Es fällt auch auf, dass die beiden Frauen aktiv im Bibeltext sprechen und ihre Sicht der Dinge darlegen. Händel fügt hie und da noch etwas Text hinzu, um die Dramatik weiter zu steigern und die Szene auszuschmücken - zum Beispiel mit der ausführlichen Vorstellung der Szene durch den Diener des Königs. Danach schreibt Händel ein eigenes Rezitativ für den König, in dem er erklärt, dass er die Frauen empfangen wird, da seine Zeit dem Volk gehört und nicht ihm, wenn er auf dem Thron sitzt. Die erste Frau beschreibt die dramatische Geschichte aus ihrer Perspektive. Händel lässt hier einige Details aus dem Bibeltext weg (Zum Beispiel, dass die zweite Frau drei Tage nach der ersten ihr Kind geboren hat, oder, dass das eine Kind gestorben ist, weil die Frau sich im Schlaf darauf gelegt hat). Im Folgenden beweint die erste Frau ihr Schicksal und bittet den König darum, ihr Recht zu sprechen. Die zweite Frau singt dazu, dass die weinerliche Geschichte der ersten Frau falsch sei, sie gerecht sein und das Gesetz fürchten solle. Im darauffolgenden Rezitativ fordert Salomon die zweite Frau auf, ihre Version der Geschichte zu erzählen. Nicht so ausführlich wie die erste Frau, aber doch mit mehr Platz als im Bibeltext, fleht sie den König an, ihr das Kind zu geben. Der König spricht im darauffolgenden Rezitativ seine Entscheidung. Das Kind soll geteilt werden, dann bekommt jede Frau ihren Teil mit. Er ruft auch gleich nach dem Schwert. Dann ändert Händel die Abfolge der weiteren Erzählung. Während im Bibeltext zuerst die erste Frau Einspruch erhebt und sagt, der König soll das Kind nicht zerteilen, sondern es der anderen Frau geben, gestaltet Händel die Szene etwas dramatischer. Zuerst singt die zweite Frau und preist die Gerechtigkeit des Königs und bestärkt ihn darin, das Urteil so auszuführen. So hat zumindest keine der beiden Frauen ein Kind. Erst dann fällt ihr die erste Frau ins Wort und fleht den König an, das Urteil nicht auszuführen, sondern stattdessen der zweiten Frau das Kind zu überlassen.
Der König erklärt daraufhin die List, die er hier angewendet hat, verjagt die zweite Frau und gibt der ersten ihr Kind zurück. König und Mutter singen daraufhin gemeinsam und lobpreisen Gott – ein Text, der in der Bibel nicht vorkommt.
Die Szene schließt mit dem Chor, der die Weisheit Salomons preist.
Carolyn Watkinson
Nany Argenta
Barbara Hendricks
Anthony Rolfe Johnson
Monteverdi Choir
English Baroque Soloists
Dirigent: John Eliot Gardiner
Der verwendete Bibeltext im Vergleich | ||||
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Die Königin von Saba
Im dritten Teil des Oratoriums geht es um den Besuch der Königin von Saba bei König Salomon. In der Bibel wird von dem Besuch in 1 Kön 10 erzählt. Händel orientiert sich in seinem Oratorium jedoch nur sehr lose am biblischen Text. Händel beschäftigt sich hauptsächlich mit dem, was der biblische Text nicht ausführlich erzählt: was Salomon der Königin von Saba genau erzählt. Händel’s Salomon lässt seinen Chor rufen und gemeinsam zeigen sie der Königin von Saba auf, welche Leidenschaften im Menschen ruhen – und wie er, Salomon, sie beherrschen kann.
Im biblischen Text steht, die Königin wolle Salomon auf die Probe stellen und frage ihn deswegen aus. Händel formuliert das etwas freundlicher. Bei ihm will die Königin von Salomons göttlicher Weisheit lernen. Salomon zeigt ihr zuerst die Reichtümer seines Landes. Und die Königin findet das auch alles sehr beeindruckend, aber eigentlich ist sie hier, um von Salomons Weisheit zu hören. Danach präsentiert ihr Salomon, wie oben beschrieben, seine Macht. Über den schläfrigen Klang süßer Musik zu direkt darauffolgender militärischer Stärke. Vom Leiden durch hoffnungslose Liebe zur Ruhe, die nach dem Sturm kommt. Die Königin ist tief beeindruckt und will das, was sie hier gesehen und gelernt hat, in Zukunft beachten. Die beiden Monarchen besingen sich gegenseitig in einem Duett, verabschieden sich voneinander und wünschen einander Friede, Weisheit und ein Volk, das die Größe des jeweils anderen sieht.
Carolyn Watkinson
Nany Argenta
Barbara Hendricks
Anthony Rolfe Johnson
Monteverdi Choir
English Baroque Soloists
Dirigent: John Eliot Gardiner
Der verwendete Bibeltext im Vergleich | ||||
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Eva Puschautz